Nach Teil 9 (Noah geht aus der Arche und opfert) folgt hier der Teil 10 aus dem “Praktischen Kommentar zur Biblischen Geschichte” (1913) von Dr. Friedrich Justus Knecht:
Es wird erzählt, wie sich die Söhne Noahs gegenüber ihren Vater verhalten haben. Zuletzt wird der Tod Noahs berichtet.
Erzählung und Erklärung
Die drei Söhne Noahs, welche mit ihm in der Arche gewesen waren, hießen Sem, Cham und Japhet. Von ihnen stammt das gesamte Menschengeschlecht auf der ganzen Erde1.
Noah fing an, die Erde wieder anzubauen, und pflanzte einen Weinberg. Als er aber von dem Wein trank, wurde er berauscht2 und lag entblößt in seinem Zelt3. Dies sah Cham, der Vater des Kanaan4, und sagte es draußen seinen Brüdern. Aber Sem und Japhet nahmen einen Mantel, gingen rückwärts5 hinein und deckten den Vater zu ohne ihn anzuschauen. Als Noah erwachte und erfuhr, was Cham getan hatte, sprach er »Verflucht sei Kanaan, Knecht der Knechte soll er seinen Brüdern sein!6 Gott breite Japhet aus und wohne in den Zelten Sems!“7 Noah lebte nach der Flut noch 350 Jahre. Alle seine Tage waren 950 Jahre, und er starb.
Noah ein Vorbild Christi.
Auslegung
Begriff der Sünde. War Noahs Trunkenheit eine Sünde? … Ja, ist die Unmäßigkeit im Trinken keine Sünde? Sogar eine von den sieben Hauptsünden. Warum war Noahs Trunkenheit aber doch keine (wenigstens keine schwere) Sünde? … Ja, weil Noah nicht freiwillig (absichtlich) zu viel getrunken hatte. Was ist die Sünde? (397.)8
Chams Sünden waren um so schwerer, da er aus der Sintflut (Sündflut) Gottes Abscheu vor der Sünde und die strafende Gerechtigkeit Gottes erkennen musste. Welche Gebote hat Cham übertreten? 1. Das 6. Gebot. Was verbietet Gott im 6. und 9. Gebot? (336.)9 Wodurch hat nun Cham die Keuschheit verletzt? Durch seine unkeuschen Blicke. Er hat sich dadurch als einen schamlosen oder unverschämten Menschen gezeigt. Welches sind die Sünden gegen die Keuschheit? (337.)10 2. Das 4. Gebot. Was gebietet Gott im 4. Gebot? (311.)11 Wie sündigen die Kinder gegen die schuldige Ehrfurcht? (313.)12 Cham hat seinen Vater verachtet und verspottet (ausgelacht) und verächtlich von ihm geredet, indem er es ohne Not den Brüdern sagte, dass etc. Was hätte Cham tun sollen, als er zufällig den entblößten Vater sah? Er hätte sogleich die Augen wegwenden, den Vater zudecken und niemand etwas davon sagen sollen. Und weil sein Sohn Kanaan ebenso schamlos und frech war wie sein Vater, so traf auch ihn der Fluch. »Im Sohne«, sagt der hl. Ambrosius, »wird der Vater und im Vater der Sohn gestraft, weil beide die gleiche unedle Gesinnung hatten.««
Segen und Fluch der Eltern. Als Noah die Frechheit Chams erfuhr, sprach er den Fluch über ihn und über seinen Sohn Kanaan und dessen Nachkommen aus, dem Sem und Japhet aber verhieß er Segen. Er sah – durch Gott erleuchtet – voraus, dass Kanaans Nachkommen gleich den Abkömmlingen Kains sich von Gott abwenden und von Gott gestraft werden würden. So kam es auch in der Tat. Die Kanaaniter versanken in Laster und greulichen Götzendienst und wurden zur Strafe dafür bei Eroberung des Landes durch die Israeliten (Nr 48) fast ganz ausgerottet. Wie der Fluch über Cham und Kanaan, so ging auch der Segen über Sem und Japhet und ihre Nachkommen in Erfüllung. Sem wurde der Erbe und Träger der göttlichen Verheißungen, denn von ihm stammt Abraham (Nr 11) und durch diesen das auserwählte (israelitische) Volk und weiterhin der göttliche Erlöser ab. Die Japhetiten wurden zu großen und mächtigen Völkern, die sich über viele Länder verbreiteten und frühzeitig (teilweise schon durch die heiligen Apostel) zum Christentum bekehrt wurden. Ihr seht also aus dieser Geschichte, dass die Kinder, welche ihre Eltern verachten, von Gott gestraft, jene Kinder aber, welche ihre Eltern lieben und ehren, von Gott gesegnet und belohnt werden.
Was haben die Kinder zu erwarten, welche die Pflichten gegen ihre Eltern nicht erfüllen? Was verheißt Gott den Kindern, welche das vierte Gebot treu beobachten? (316f)13
Ehrabschneidung. Wie Sem und Japhet die Nacktheit ihres Vaters mit einem Mantel bedeckt haben, so sollen wir die Fehler unsrer Mitmenschen mit dem Mantel der Liebe zudecken, d. h. wir sollen sie nicht ohne Not anderen aufdecken oder offenbaren. Tut man es doch (ohne Not), so begeht man – was für eine Sünde? – Wann sündigt man durch Ehrabschneidung? (363.)14
Noah ist das 3. Vorbild des göttlichen Erlösers. In welchen Stücken war Noah dem göttlichen Heiland ähnlich ? Noah war der einzige Gerechte in der sündhaften Welt (Christus ist allein der Gerechte, der Heiligste aus und durch sich selbst) – Noah hat zur Rettung des Menschengeschlechts die Arche gebaut (Christus hat die Kirche als Rettungsanstalt gestiftet, um durch sie etc.) – Noah predigte Buße und sagte die Sintflut (Sündflut) voraus (Christus predigte Buße und verkündete das Gericht am Ende der Welt) – Noah brachte ein Gott wohlgefälliges Opfer dar, so dass Gott mit ihm und seinen Nachkommen einen Friedensbund schloss (Christus brachte durch seinen Kreuzestod das heiligste Opfer dar und erwarb dadurch der ganzen Menschheit Verzeihung, Gnade und ewigen Frieden) – Noah war der zweite Stammvater des Menschengeschlechts. Christus ist der geistige Stammvater aller Gläubigen).
Unmäßigkeit. Noahs Trunkenheit konnte entschuldigt (nicht zur Schuld angerechnet) werden, weil er die Stärke des Weines nicht kannte. Jetzt ist diese allgemein bekannt, deshalb ist es eine große Sünde, wenn jemand so viel trinkt« dass er betrunken, seiner Sinne und seiner Vernunft nicht mehr mächtig ist. Diese Unmäßigkeit im Trinken führt zu vielen andern Sünden (z. B. Streit, Schlägereien, Fluchen etc.), deshalb wird sie eine Haupsünde genannt. Wann sündigt man durch Unmäßigkeit? (*418.)15 Mit Mäßigkeit darf der Mensch zu seiner Erholung und Stärkung Wein trinken. Kinder aber solllen keinen Wein und überhaupt keine scharfen Getränke (besonders keinen Branntwein oder Schnaps) trinken, denn solche Getränke sind für Kinder ungesund. Kinder, die gern scharfe Sachen trinken, werden bleich und kränklich (oft auch dumm) und bleiben im Wachstum zurück. Milch und Brot machen die Wangen rot!
Anwendung
Wie schön war die zarte Scham und die kindliche Ehrfurcht Sems und Japhets, wie schändlich das freche Betragen des Cham! Wäre es nicht auch an dir schändlich, wenn du etwas Unanständiges anschauen würdest? Hüte dich also vor frechen, vorwitzigen Blicken an dir selbst und an andern! Sei besonders beim An- und Auskleiden schamhaft und vorsichtig mit deinen Augen und nimm dich in acht, dass andere an dir nichts Unanständiges bemerken! ,,Vor allem legt nie das Kleid – Der Scham von euch und Sittsamkeit!« (Aus Wolframs Parzival.)
Ehre Vater und Mutter! Verachte sie nicht, auch wenn sie Fehler an sich haben! »Ein Auge, das seinen Vater verspottet und seine Mutter verachtet, das sollen die Raben aushacken und die jungen Adler fressen« (Spr 30, 17).
Fortsetzung folgt.
1Die von Sein abstammenden Völker werden Semiten, die von Cham abstammenden Chamiten, die von Japhet abstammenden Japhetiten genannt. Die Semiten verbreiteten sich hauptsächlich in Asien, die Chamiten in Afrika, die Japhetiten in Europa.
2oder betrunken, so dass er in einen unruhigen Schlaf fiel. Durch seine unruhigen Bewegungen fiel die Decke von seinem Leibe, so dass er entblößt dalag. Wie kam es aber, dass der fromme Noah betrunken wurde, da doch die Unmäßigkeit im Trinken eine Sünde ist? Er trank nicht absichtlich zu viel, sondern aus Unwissenheit, weil er die Kraft des Weines noch nicht kannte. Bis dahin hatte er nur ungegorenen Rebensaft genossen und wusste nichts von der betäubenden Wirkung des gegorenen Rebensaftes d. h. des Weines.
3Er hatte kein Haus, sondern nur ein Zelt, das leicht abgeschlagen und fortgeführt werden konnte. Auf dem Bilde S. 48 der B. G. sind solche Zelte (wie die Israeliten sie während ihres Zuges in der Wüste gebrauchten) dargestellt.
4Cham schaute frech und schamlos den nackten Leib seines Vaters an und ging hinaus und sagte es spottend seinen Brüdern, damit auch diese hineingehen und den Vater verspotten sollten.
5d. h. indem sie das Gesicht nicht der Lagerstätte Noahs, sondern dem Eingange des Zeltes zuwandten.
6Kanaans Nachkommen sollen den Semiten und Japhetiten untertan sein.
7Die Japhetiten werden sich weithin verbreiten, und den Semiten wird Gott nahe sein mit seinem Segen und seiner Offenbarung und sie zu Trägern seiner Verheißungen machen.
8Kat.-Nr. 397: Die Sünde ist eine freiwillige Übertretung des göttlichen Gesetztes. Die Übertretung ist freiwillig, wenn die Erkenntnis des Bösen und die Einwilligung vorhanden sind.
9Kat.-Nr. 336: Gott verbietet im sechsten und neunten Gebot 1) den Ehebruch und alle anderen Sünden gegen die Keuschheit; 2) alles, was zur Unkeuschheit verleitet. „Unreinheit soll unter euch noch nicht einmal genannt werden, wie es den Heiligen geziemt.“ (Eph 5,3)
10Kat.-Nr. 337: Die Sünden gegen die Keuschheit sind: 1) freiwillige unkeusche Gedanken und Begierden; 2) unkeusche Reden, Scherze und Lieder; 3) wohlgefälliges Anhören und Lesen unkeuscher Dinge; 4) unkeusche Blicke und Handlungen. Unkeusche Gedanken und Begierden sind keine Sünde, solange man nicht freiwillig Wohlgefallen daran hat. Wenn man von unreinen Gedanken und Begierden versucht wird, soll man beten und keine Gedanken sogleich auf etwas anderes richten.
11Kat.-Nr. 311: Gott gebietet im vierte Gebot, dass die Kinder ihren Eltern und die Untergebenen ihren Vorgesetzten Ehrfurcht, Liebe und Gehorsam erweisen.
12Kat.-Nr. 313: Die Kinder sündigen gegen die schuldige Ehrfurcht, 1) wenn sie ihre Eltern geringschätzen oder verachten; 2) verächtlich von ihnen reden; 3) sich ihrer schämen; 4) ihnen grob und trotzig begegnen. „Das Auge, dass seinen Vater verachtet und schief auf seine Mutter blickt, sollen die Raben aushacken und die Adler fressen.“ (Spr. 30,17)
13Kat.-Nr. 316: Die Kinder, welche die Pflichten gegenüber ihren Eltern nicht erfüllen, haben in diesem Lebe den Fluch Gottes und Schande vor den Menschen, im anderen Leben die ewige Verdammnis zu erwarten. „Verflucht sei, wer seinen Vater und seine Mutter nicht ehrt, und alles Volk soll sagen: Amen.“ (5. Mos. 27,16)
Cham, Absalom, die Söhne des Hohenpriesters Heli.
Kat.-Nr. 317: Den Kindern, die das vierte Gebot treu beobachten, verheißt Gott in diesem Leben seinen Schutz und Segen und im anderen Leben die ewige Seligkeit. „Ehre deinen Vater und deine Mutter. Dies ist das erste Gebot mit der Verheißung: dass es dir wohl gehe, und du lange lebst auf Erden.“ (Eph 6,2.3)
Sem, Isaak, der junge Tobias.
14Kat.-Nr. 363: Man sündigt durch Ehrabschneidung,wenn man die Fehler des Nächsten ohne Not offenbart.
15Kat.-Nr. *418: Man sündigt durch Unmäßigkeit, wenn man zu viel oder allzu gierig isst und trinkt. „Hütet euch, dass eure Herzen nicht etwa belastet werden mit Völlerei und Trunkeheit.“ (Luk 21,34)
Der reiche Prasser.
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