Nach dem Kapitel “Bedeutung und Geschichte der Apostel” gibt es heute das 10. Kapitel aus dem Buch “Geschichte der Kirche Christi” von DDr. Johannes Schuck aus dem Jahr 1938 (Echter Verlag):
Schon in dem Bericht über die zweite Missionsreise klang leise das Wort Rom an; in dem Bericht über die dritte Missionsreise steht ausdrücklich, daß Paulus geradezu sagte: „Ich muß nach Rom sehen.” Er sagte das zu Ephesus, einer Hafenstadt an der kleinasiatischen Küste. Bereits zweieinviertel Jahr wirkte er in dieser Stadt; aber schon vorher hatte er reiche Arbeit geleistet. Im Frühjahr 54 hatte er nämlich vernommen, daß bei den von ihm gegründeten Christengemeinden in Galatien einige Judenchristen sich wieder mit ihren Ansprüchen breit machten und behaupteten, alle Christen müßten das Gesetz des Moses halten. Darum war er sogleich von Antiochia aufgebrochen, hatte Galatien und Phrygien durchwandert, nach dem Rechten gesehen und die Christen in ihrem Glauben gestärkt. Von da war er nach Ephesus gekommen. Seiner alten Gewohnheit gemäß predigte er auch hier zuerst in den Synagogen. Nach drei Monaten wählte er aber einen anderen Versammlungsort, weil die Juden ihn vielfach störten. Auch in Galatien hatten sie nach seiner Abreise sofort Unruhen hervorgerufen. Viele Gläubigen waren durch jüdische Lehrer dazu gebracht worden, sich wieder jüdischen Gebräuchen zu unterziehen. Sie standen ja zwischen zwei Feuern. Auf der einen Seite hatten sie die Heiden zu Feinden, auf der anderen Seite die Juden. Stellten sie sich und ihre Kinder unter die jüdischen Gebräuche, so war dadurch wenigstens der Angriff der Juden etwas gemildert. Sie glaubten das umso eher tun zu können, weil ja auch, wie sie betonten, die ersten und Hauptapostel, die in Jerusalem lebten, noch nach jüdischem Brauch lebten. Damit verdächtigten sie den heiligen Paulus; er habe nicht so in der Nähe Jesu gelebt wie die anderen Apostel, er habe erst später die Predigt des Evangeliums auf sich genommen. Blitzartig werden damit die Schwierigkeiten beleuchtet, die dem Völkerapostel durch seine außerordentliche Berufung zum Apostel in den christlichen Gemeinden selbst entstanden. Aber der Apostel war Mann genug, die Angriffe auf sich und die christliche Freiheit zu entkräften und abzuwehren.
In Ephesus selbst war seine durch viele Wunder bekräftigte Predigt reich gesegnet und auch in der Umgegend entstand eine Reihe von Christengemeinden.
Dem Evangelium war hier etwas vorgearbeitet worden. Bei seiner Ankunft fand der Apostel eine Gruppe von Männern vor, die behaupteten, schon die Taufe empfangen zu haben; es stellte sich aber heraus, daß sie bloß die Bußtaufe des Johannes, nicht aber die sakramentale Taufe empfangen hatten. Paulus spendete ihnen also das Sakrament der Taufe und sofort auch das Sakrament der Firmung.
Wie so vielfach in der Urkirche, begleitete der Heilige Geist auch hier sein Kommen in die Menschenseele mit außerordentlichen Gnadengaben; sie waren ein sichtbares Zeichen für die unsichtbare Einwohnung des Heiligen Geistes und bildeten für den Glauben der mit den heiligen Geschehnissen noch wenig vertrauten Bekehrten eine starke Stütze. Wunderbare Krankenheilungen kamen hinzu, so daß das Vertrauen auf die Apostel von Tag zu Tag wuchs und das religiöse Leben in Ephesus herrlich emporblühte und auch reiche Früchte trug. Viele Gläubige kamen, bekannten und legten offen dar, was sie früher Böses taten. Viele andere, die sich mit Zauberkünsten abgaben, machten ihre abergläubischen Bücher zu und verbrannten sie vor aller Augen. Man schätzte ihren Wert auf fünfzigtausend Silberdrachmen, das sind vierzigtausend Mark (Apg 19, IS f). So konnte der heilige Lukas feststellen: „Der Name des Herrn Jesus kam hoch zu Ehren; mächtig wuchs und erstarkte das Wort des Herrn” (Apg 19, 17.20). Die Arbeit des Apostels in Ephesus schien also getan, und er wollte nun auf einem Umweg nach Rom. Er mußte jedoch seine Abreise plötzlich verschieben, weil aus Korinth beunruhigende Nachrichten und Anfragen kamen. Es galt, die kirchliche Einheit zu stärken, gegen die Gefahren der üppigen, unzüchtigen Stadt zu wappnen, zu tadeln und zu warnen, zu belehren und zu berichtigen. Der Apostel tat es in einem Brief und gab ihn den Boten, die von Korinth gekommen waren, mit in die Heimat zurück. Nach Mazedonien, wo seine Anwesenheit auch notwendig geworden war, sandte er einstweilen den Timotheus und den Erastus voraus. Vielleicht hätte er noch länger in Ephesus verweilt, um weitere Nachrichten aus Korinth abzuwarten; aber Unruhen in der Stadt zwangen ihn — es war im Mai oder Juni 57 — die Stadt zu verlassen und einstweilen seinen Mitarbeiter Titus nach Korinth zu schicken; in der Stadt Troas, so machte Paulus mit Titus aus, wollten sie einander treffen. Da aber die Ankunft des Titus sich verzögerte, reiste ihm Paulus nach Mazedonien entgegen und so trafen sie sich in Philippi. Mit einem zweiten Brief schickte der Apostel den Titus nach Korinth zurück, während er selbst nachkam, im Winter 57/58 in Korinth blieb und von da den Brief an die Christen in Rom schrieb. Gern wäre er jetzt auf dem nächsten Weg über Syrien nach Jerusalem gereist; aber wiederum waren es Anschläge der Juden, die ihn nötigten, einen Umweg einzuschlagen, so daß er erst gegen Pfingsten des Jahres 58 in Jerusalem eintraf. Das sind die großen Linien der dritten Missionsreise.
Wer den Apostel von Stadt zu Stadt genau verfolgen und über die einzelnen Ereignisse sich unterrichten will, der muß die Apostelgeschichte des heiligen Lukas zur Hand nehmen und die Kapitel 18—21 aufschlagen. Wer aber hinter die trockenen Namen und Zahlen sehen und erkennen will, was für eine Heldenfahrt diese Missionsreise war, der lese etwa den zweiten Brief nach, den Paulus von Mazedonien aus an die Korinther schrieb. Darin heißt es: „Ich habe Mühseligkeiten überreichlich ertragen, Kerkerstrafen überreichlich, Mißhandlungen über die Maßen, Todesgefahren gar oft. Fünfmal erhielt ich von den Juden vierzig Streiche weniger einen, dreimal wurde ich mit Ruten geschlagen, einmal gesteinigt. dreimal erlitt ich Schiffbruch, eine Nacht und einen Tag trieb ich auf hoher See umher. Auf Reisen war ich oftmals in Gefahren durch Flüsse, in Gefahren durch Räuber, in Gefahren durch Volksgenossen, in Gefahren durch Heiden, in Gefahren in den Städten, in Gefahren in der Wüste, in Gefahren auf dem Meer, in Gefahren durch falsche Brüder. Ich ertrug Mühsal und Beschwerden, häufige Nachtwachen, Hunger und Durst, viele Fasten, Kälte, und Blöße. Zu allem anderen kommt noch der tägliche Andrang zu mir, die Sorge um alle Gemeinden. Wer wird schwach, ohne daß ich schwach werde? Wer nimmt Anstoß, ohne daß ich entbrenne? Soll denn einmal gerühmt sein, so will ich mich meiner Schwachheit rühmen. Gott, der Vater des Herrn Jesus, weiß, daß ich nicht lüge. Er sei gepriesen in Ewigkeit” (2 Kor 11, 23—31).
Als Paulus diese Worte schrieb, war er mitten im Lauf, noch nicht in Jerusalem. Er konnte sich denken, daß er dort von den Juden nichts Gutes zu erwarten hatte. Aber er fürchtete sich nicht. Während er in Milet von den Gläubigen und auch von den Christen, die aus Ephesus herbei geeilt waren, Abschied nahm, sagte er: „Nun fühle ich mich in meinem Innern gedrängt, nach Jerusalem zu reisen. Was mir dort begegnen wird, weiß ich nicht; nur das versichert mir der Heilige Geist von Stadt zu Stadt, daß Bande und Drangsale meiner warten. Aber das alles fürchte ich nicht und ich achte mein Leben gering, wenn ich nur meine Laufbahn vollende und die Aufgabe erfülle, die ich vom Herrn Jesus erhalten habe: die frohe Botschaft von der Gnade Gottes zu verkünden” (Apg 20, 22—24).
Treu seiner Aufgabe reiste Paulus von Milet nach Cäsarea. Schon in Milet hatte ihm der Heilige Geist geoffenbart, daß in Jerusalem Schlimmes seiner warte. In Cäsarea wurde es ihm noch einmal angekündigt. Er wohnte in dem Hause des Diakons Philippus, der den Schatzmeister der Königin Kandake getauft hatte. Einige Tage nach seiner Ankunft traf bei Philippus ein mit prophetischen Gaben begnadeter frommer Christ namens Agabus aus Judäa ein. Kaum hatte er Paulus gesehen, nahm er den Gürtel des Apostels, fesselte sich Hände und Füße damit und sagte: So spricht der Heilige Geist: „Den Mann, dem dieser Gürtel gehört, den werden die Juden in Jerusalem also binden und der Gewalt der Heiden ausliefern” (Apg 21,11). Darüber eine große Bestürzung im Hause des Philippus. Alle flehten den Apostel an, doch von Jerusalem wegzubleiben. Paulus aber entgegnete:
„Warum weint ihr und warum macht ihr mir das Herz so schwer? Ich bin bereit, für den Namen des Herrn Jesus Christus mich in Jerusalem nicht nur binden zu lassen, sondern selbst den Tod zu leiden” (Apg 21, 13).
Den Tod freilich brauchte er in Jerusalem nicht zu leiden; aber was er da leiden mußte, war immerhin noch Leids genug.
Fortsetzung folgt mit Kap. “Der Höhepunkt im Kampf der Juden gegen die Erlösung der Heiden“.
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