Heute habe ich folgendem Ausschnitt aus den Bekenntnissen des Augustinus (354-430), Bischof von Hippo (Nordafrika) und Kirchenlehrer, gelesen und bin ganz ergriffen von seiner tiefen und innigen Liebe zu Gott.

Aber seht selbst:

Spät habe ich dich geliebt, o Schönheit, so alt und doch immer neu, spät habe ich dich geliebt. Und siehe, du warst in meinem Innern und ich draußen; und draußen suchte ich dich und stürzte mich in meiner Häßlichkeit auf die schönen Gebilde, die du geschaffen. Du warst bei mir, aber ich nicht bei dir. Weit weg von dir zog mich, was doch keinen Bestand hätte, wenn es nicht in dir wäre. Du hast mich laut gerufen und meine Taubheit zerrissen; du hast geblitzt und geleuchtet und meine Blindheit verscheucht. Du hast mir süßen Duft zugeweht; ich habe ihn eingesogen, und nun seufze ich nach dir. Ich habe dich geschmeckt, und nun hungere und dürste ich nach dir. Du hast mich berührt, und ich bin entbrannt in deinem Frieden.

Wenn ich erst einmal dir ganz anhangen werde mit meinem ganzen Ich, dann wird mich kein Schmerz, keine Mühsal mehr bedrücken, und mein Leben, ganz von dir erfüllt, wird erst dann wahres Leben sein. Da du aber nur den, welchen du erfüllst, aufrichtest, bin ich mir vorläufig noch zur Last, da ich deiner noch nicht voll bin. Noch streiten in mir beweinenswerte Freuden mit erfreulicher Trauer, und ich weiß nicht, auf welcher Seite der Sieg sein wird. Wehe mir, Herr, erbarme dich meiner! Es streiten ferner in mir üble Kümmernisse mit guten Freuden, und ich weiß nicht, auf welcher Seite der Sieg sein wird. Wehe mir, Herr, erbarme dich meiner! Wehe mir! Sieh, meine Wunden verberge ich nicht vor dir; du bist der Arzt, ich bin krank; du bist barmherzig, ich erbarmungswürdig.


Bekenntnisse, Buch X, 27–28 (Bibliothek der Kirchenväter, München 1914)
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