Vor ein paar Tagen hat Wegbegleiter durch seinen Blog-Beitrag “Ehrlich: wo mich die katholische Kirche wütend macht (und traurig)” eine sehr rege und interessante Diskussion über die katholische Kirche “losgetreten”.
Ich musste dabei mal wieder feststellen, dass es doch eine Menge Missverständnisse bzgl. der Lehren und Praktiken der kath. Kirche gibt (z.B. bzgl. Kindertaufe, Marienverehrung, etc.).
Von Dirk, einem Diskussionsteilnehmer habe ich am Ende der Diskussion den Hinweis auf die von SoundWords auf Deutsch übersetzte und veröffentlichte Schrift “Die römisch-katholische Lehre im Lichte der Heiligen Schrift” von Keith L. Brooks erhalten. Dort werden eine ganze Reihe von Themen wie “Die Heilige Schrift”, “Die Kirche”, “Das Papsttum”, “Der Marienkult und die Verehrung von Bildwerken” etc. behandelt und die angeblich falschen Lehren und Praktiken der kath. Kirche verurteilt.
Dabei werden altbekannte Vorwürfe gegen die kath. Kirche vorgebracht, die m.E. jedoch in vielen Fällen auf einem mangelnden Verständnis der kath. Lehren, auf fehlerhafter Darstellung (kirchen-)historischer Fakten und teilweise auch einer Verdrehung kath. Lehren beruhen. Ob dies aus Unkenntnis oder aus Antipathie der kath. Kirche gegenüber herrührt, kann ich natürlich nicht beurteilen und spielt auch erstmal für diesen Beitrag keine Rolle.
Im Folgenden möchte ich nun versuchen, anhand der genannten Schrift einige der weit verbreiteten Irrtümer über die kath. Kirche richtig zu stellen (soweit ich dazu in der Lage bin, da ich kein studierter kath. Theologe/Kirchenhistoriker bin).
Mein Anliegen ist dabei übrigens nicht in erster Linie die kath. Kirche zu verteidigen oder sie gar als vollkommen bzw. ohne Sünde darzustellen, sondern durch die Darstellung der kath. Sicht zu einem sachlichen und fairen Dialog zwischen protestantisch/freikirchlichen und katholischen Christen beizutragen.
Und natürlich bin ich jederzeit dankbar für Hinweise, wo ich Sachverhalte irrtümlicher selbst fehlerhaft dargestellt habe… 😉
Die Heilige Schrift
Zu:
Der Katholizismus lehrt:
Die Schriften des Alten und Neuen Testaments bilden nur einen Teil des Wortes Gottes. Sie werden ergänzt von anderen, ebenfalls inspirierten Schriften (Apokryphen, päpstliche und kirchliche Überlieferungen).
Zunächst stellt sich mir hier die Frage, was der Autor mit “Wort Gottes” meint. Falls er mit “Wort Gottes” die Hl. Schrift, die Bibel also meint, dann ist obige Aussage schlichtweg falsch. Denn die kath. Kirche lehrt eben nicht, dass eine Schrift außerhalb des (kath.!) Bibelkanons (vom Hl. Geist) inspiriert sei (auch keine kirchliche Überlieferungen oder päpstliche Schreiben) und somit der Hl. Schrift gleichzusetzen wäre.
Leider fehlt im oben angegeben Zitat eine Quellenangabe (zumindest in der deutschen Übersetzung), so dass ich nicht nachvollziehen kann wie der Autor zu dieser Aussage gekommen ist.
Richtig ist jedoch (vielleicht hatte das der Autor im Kopf), dass die kath. Kirche lehrt, dass auch die kirchliche (mündliche) Überlieferung (“Tradition”) genauso wie die Hl. Schrift ihren Ursprung in Gott hat und damit Wahrheit lehrt.
So steht im Katechismus der kath. Kirche (KKK, siehe Ausgabe 1997 bzw. Ausgabe 2003) Folgendes:
,,Christus, der Herr, in dem die ganze Offenbarung des höchsten Gottes sich vollendet, hat den Aposteln den Auftrag gegeben, das Evangelium, das, vordem durch die Propheten verheißen, er selbst erfüllt und mit eigenem Munde verkündet hat, als die Quelle aller heilsamen Wahrheit und Sittenlehre allen zu predigen und ihnen so göttliche Gaben mitzuteilen” (DV 7). (KKK #75)
“Dem Willen des Herrn entsprechend geschah die Weitergabe des Evangeliums auf zwei Weisen:
– mündlich ,,durch die Apostel, die in mündlicher Predigt, durch Beispiel und Einrichtungen das weitergaben, was sie entweder aus Christi Mund, im Umgang mit ihm und durch seine Werke empfangen oder unter der Eingebung des Heiligen Geistes gelernt hatten”;
– schriftlich ,,durch jene Apostel und apostolischen Männer, die unter der Inspiration desselben Heiligen Geistes die Botschaft vom Heil niederschrieben” (DV 7).” (KKK #76),,Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift sind eng miteinander verbunden und haben aneinander Anteil. Demselben göttlichen Quell entspringend, fließen beide gewissermaßen in eins zusammen und streben demselben Ziel zu” (DV 9). (KKK #80)
“Die Überlieferung [oder Tradition], von der wir hier sprechen, kommt von den Aposteln her und gibt das weiter, was diese der Lehre und dem Beispiel Jesu entnahmen und vom Heiligen Geist vernahmen. Die erste Christengeneration hatte ja noch kein schriftliches Neues Testament, und das Neue Testament selbst bezeugt den Vorgang der lebendigen Überlieferung.” (KKK #83)
Zu:
Ist es erlaubt, zu Gottes Wort etwas hinzuzufügen?
Hier behauptet der Autor ganz direkt, dass die kath. Kirche dem “Wort Gottes” (in diesem Fall kann nur die Bibel gemeint sein) etwas hinzugefügt hätte (gemeint sind hier ganz offensichtlich die angeblichen Apokryphen, kirchliche Überlieferungen und päpstliche Schreiben).
Wie oben schon erwähnt, wird die kirchliche Überlieferung (“Tradition”) von der kath. Kirche nicht zum Bibelkanon hinzugerechnet und auch nicht die päpstlichen Schreiben (jedoch ggf. durchaus als verbindliche Lehrmeinung).
Die von den Protestanten als “Apokryphen” bezeichneten Schriften werden von der kath. Kirche als “deuterokanonische Schriften” (d.h. zeitlich später kanonisierte, jedoch gleichwertige Schriften) bezeichnet und zum Bibelkanon hinzugerechnet (z.B. 3./4. Buch Esra, 3./4. Buch der Makkabäer, siehe Wikipedia). Dieser Kanon des AT wurde bereits im 4.Jh. n.Chr. auf einigen Synoden der Alten Kirche beschlossen (und nicht erst im 16Jh. auf dem tridentinischen Konzil wie unten behauptet, siehe bzgl. der Kanonbildung des AT z.B. die Catholic Encyclopedia).
Es ist zwar richtig, dass es bereits bei den frühen Kirchenvätern unterschiedliche Meinungen bzgl. der Kanonizät der genannten Schriften gab (z.B. befürwortete Hieronymus den kürzeren jüdischen Kanon, den Tenach, und Augustinus den längeren Kanon inkl. der Schriften, die in der Septuaginta, der griech. Übersetzung des ATs beinhaltet waren). Die Praxis der Kirche (d.h. die allg. Zitierung der deuterokanon. Schriften durch die frühen Christen und Verwendung in der Glaubensunterweisung und im Gottesdienst) bezeugt jedoch seit frühester Zeit, dass die deuterkanon. Schriften von der Kirche im Ganzen als zum AT gehörend akzeptiert und respektiert wurden.
Kann eine Schrift von Gott sein, wenn sie der Heiligen Schrift widerspricht?
Mit dieser rhetorischen Frage behauptet der Autor ganz offensichtlich, dass die kath. Kirche mittels außerbiblischen Schriften der Hl. Schrift widerspricht. Leider zitiert er keine Schrift direkt und versäumt auch ein Beispiel zu nennen. Denn diese Behauptung ist m.E. genauso irrtümlich wie die obigen. Ich zumindest kenne keine offizielle kath. Lehrschrift, die der Bibel (offen) widerspricht.
Sind die Apokryphen inspiriert?
Sie waren im Kanon des Alten Testaments nicht enthalten und sind von Christus oder den Aposteln nie angeführt worden. Sie nehmen keine Inspiration für sich in Anspruch. Einige ihrer Schreiber verneinen diese. Auch von der katholischen Kirche wurden sie nicht als inspiriert angesehen. Erst auf dem Tridentinischen Konzil (1545-1563) wurden sie den Heiligen Schriften gleichgestellt.
Natürlich kann man nicht wirklich beweisen, ob eine Schrift “inspiriert” ist. Letztlich kann nur die (kath.) Kirche im Gesamten entscheiden welche Schriften vom Hl. Geist inspiriert sind und welche nicht (so entstand ja auch der Kanon des Neuen Testaments). Und wie gesagt behauptet die kath. Kirche, dass die von den Protestanten abwertend “Apokryphen” genannten Schriften zum Bibelkanon dazugehören und damit “inspiriert” sind (Widersprüche in den deuterokanon. Schriften zur restlichen udn von den Protestanten akzeptierte Hl. Schrift habe ich übrigens noch nicht ausmachen können).
Und ehrlich gesagt kann ich mir beim “Buch der Weisheit” wirklich nicht vorstellen, dass es nicht von Gott inspiriert ist, da es z.B. eine m.E. ganz klare messianische Prophezeiung auf Jesus Christus enthält:
“10 Lasst uns den Gerechten unterdrücken, der in Armut lebt, die Witwe nicht schonen und das graue Haar des betagten Greises nicht scheuen! 11 Unsere Stärke soll bestimmen, was Gerechtigkeit ist; denn das Schwache erweist sich als unnütz. 12 Lasst uns dem Gerechten auflauern! Er ist uns unbequem und steht unserem Tun im Weg. Er wirft uns Vergehen gegen das Gesetz vor und beschuldigt uns des Verrats an unserer Erziehung. 13 Er rühmt sich, die Erkenntnis Gottes zu besitzen, und nennt sich einen Knecht des Herrn. 14 Er ist unserer Gesinnung ein lebendiger Vorwurf, schon sein Anblick ist uns lästig; 15 denn er führt ein Leben, das dem der andern nicht gleicht, und seine Wege sind grundverschieden. 16 Als falsche Münze gelten wir ihm; von unseren Wegen hält er sich fern wie von Unrat. Das Ende der Gerechten preist er glücklich und prahlt, Gott sei sein Vater. 17 Wir wollen sehen, ob seine Worte wahr sind, und prüfen, wie es mit ihm ausgeht. 18 Ist der Gerechte wirklich Sohn Gottes, dann nimmt sich Gott seiner an und entreißt ihn der Hand seiner Gegner. 19 Roh und grausam wollen wir mit ihm verfahren, um seine Sanftmut kennen zu lernen, seine Geduld zu erproben. 20 Zu einem ehrlosen Tod wollen wir ihn verurteilen; er behauptet ja, es werde ihm Hilfe gewährt. 21 So denken sie, aber sie irren sich; denn ihre Schlechtigkeit macht sie blind. 22 Sie verstehen von Gottes Geheimnissen nichts, sie hoffen nicht auf Lohn für die Frömmigkeit und erwarten keine Auszeichnung für untadelige Seelen. 23 Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit erschaffen und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht. 24 Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt und ihn erfahren alle, die ihm angehören.” (Weisheit 2,10-24/EÜ)
Also, wenn das nicht klar auf Jesus Christus prophetisch hinweist (Das Buch Weisheit wurde ca. 50 v.Chr. geschrieben, siehe Wikipedia), dann weiß ich auch nicht mehr…
Die Behauptung von Keith Brooks, dass die angeblichen Apokrypen erst auf dem Tridentinischen Konzil der Hl. Schrift gleichgestellt wurde ist w.o. bereits erwähnt ein (leider weit verbreiteter) Irrtum. Denn auf dem Konzil von Trient wurden der bislang allgemein von der (kath.) Kirche akzeptierte Kanon nur nochmal bestätigt (siehe Catholic Encyclopedia).
Zu
Sind die Überlieferungen (z. B. der “Kirchenväter”) inspiriert?
Sie wurden erst im Mittelalter von Mönchen herausgebracht. Davor hat man nichts von ihnen gehört. In der Heiligen Schrift sind sie nie enthalten gewesen. Sie widersprechen der Heiligen Schrift. Die hauptsächlichsten Lehren des Katholizismus gründen sich auf Überlieferungen.
Also, an dieser Aussage ist leider so ziemlich alles falsch.
Die kirchlichen (schriftlichen) Überlieferung entstanden nicht erst im Mittelalter, sondern direkt nach Abschluss des Neuen Testaments, die Autoren waren nicht nur Mönche, sondern z.B. auch Philosophen wie Justin der Märtyrer und die Schriften der frühen Christen widersprechen (in aller Regel) auch nicht der Hl. Schrift.
Hier mal eine Auflistung der kirchlichen Schriftsteller (siehe Wikipedia):
2. Jahrhundert n.Chr.
Die apostolischen Väter, ca. 80-150 n. Chr.:
o Klemens von Rom
o Papias von Hierapolis
o Ignatius von Antiochien
o Polykarp von Smyrna
o Hermas
Apologeten
o Aristides von Athen
o Justin der Märtyrer
o Athenagoras von Athen
o Irenäus von Lyon
o Meliton von Sardes3. Jahrhundert
o Origenes (problematisch)
o Tertullian (problematisch)
o Clemens von Alexandria
o Cyprian von Karthago
o Hippolyt von Rom
o Minucius Felix4. Jahrhundert
o Eusebius von Caesarea
o Athanasius von Alexandria
o Cyrill von Jerusalem
o Basilius von Caesarea
o Gregor von Nazianz
o Gregor von Nyssa
o Ephraem der Syrer
o Johannes Chrysostomos
o Hilarius von Poitiers
o Ambrosius von Mailand
o Hieronymus
o Augustinus von Hippo
o Nemesius von Emesa
o Arnobius der Ältere
o Lactantius
o Chalcidius
o Marius Victorinus
o Macrobius5. Jahrhundert
o Benedikt von Nursia
o Salvian von Marseille
o Martianus Capella
o Cyril von Alexandria
o Theodor von Mopsuestia
o Leo der Große6. Jahrhundert
o Gregor der Große7. Jahrhundert
o Maximus der Bekenner
o Isidor von Sevilla8. Jahrhundert
o Johannes von Damaskus
Die frühen Christen, Apologeten, Kirchenschriftsteller und Kirchenväter waren meist nicht nur sehr viel vorbildlicher in ihrem Lebenswandel als die meisten heutigen Christen (auch als die meisten Katholiken natürlich!), sie hatten m.E. auch ein sehr viel besseres und tieferes Bibelverständnis (manche konnten sogar ganze Teile der Bibel auswendig).
Es ist wirklich traurig wie wahrhaft Helden des Glaubens aus Unkenntnis (ihrer Schriften und der Kirchengeschichte etc.) so schlecht gemacht werden. Ich selbst habe den Kirchenvätern so viel zu verdanken, was meinen Glauben und das Verständnis der Hl. Schrift angeht. Ich kann nur jedem Mal empfehlen, die Schriften der frühen Christen mal selbst zu lesen und (erst) danach über sie zu urteilen.
Folgende Bücher kann ich übrigens für den Einstieg sehr empfehlen:
- Seele der Welt – Texte von Christen der ersten Jahrhunderte
- Quellen geistlichen Lebens: Die Zeit der Väter (Geerlings/Greshake)
Fortsetzung folgt… (siehe Teil 2)
Stef
Vielleicht noch eine kleine Ergänzung zum obigen Artikel zum Thema “päpstliche Schreiben”:
Hier spielt Keith Brooks wohl auf das kirchliche Lehramt an. Deshalb möchte ich zur Klarstellung noch ein paar Stellen aus dem Katechismus der Katholischen Kirche zum “Lehramt der Kirche” zitieren (siehe KKK):
In diesem Zusammenhang noch gleich eine Klarstellung zum Thema “Dogmen”:
Stef
Und hier noch, was die kath. Kirche über “Inspiration und Wahrheit der Heiligen Schrift” lehrt (siehe KKK):
zweitersein
Danke für die Arbeit, die ihr euch hier macht. Wird sicher Früchte tragen, da bin ich überzeugt….