Heute morgen auf dem Weg zur Friedenskirche in Stuttgart hatte ich noch einen kurzen Blogbeitrag zur desolaten Lage der Verkündigung des Evangeliums geschrieben. Kurz darauf durfte ich ein sehr schönes Gegenbeispiel erfahren als ich Prof. Dr. Robert Spaemann über den Schöpfungsbericht (Genesis 1 “Im Anfang war…”) referieren hörte. Ich war regelrecht “weggebeamt”, mit welcher Weisheit, Klarheit und fundiertem Glauben dieser (katholische) Philosoph in einfach verständlicher Sprache und demütiger Art über Gott und den Glauben in seiner “Predigt” sprach.
Da es zu seinem Vortrag leider kein Skript gibt, versuche ich hier auf Basis meiner wenigen Notizen eine kurze Zusammenfassung zu geben.
Zu Beginn las Prof. Spaemann das Gedicht “Menschen getroffen” von Gottfried Benn vor, dass mit dem Satz endete:
Ich habe mich oft gefragt und keine Antwort gefunden,
woher das Sanfte und das Gute kommt,
weiß es auch heute nicht und muß nun gehn.
Spaemann fragte: Woher kommt das Gute? Gottfried Benn wusste es offenbar nicht. Die Antwort steht jedoch in Genesis 1 (Verse 1-31):
Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde (…)
Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut. (…)
“Im Anfang” heißt nicht “am Beginn” erklärte Spaemann. Es geht nicht um eine zeitliche Abfolge wie in einem Film, bei dem eine Szene der anderen folgt und das vorhergehende die Ursache für das Folgende ist. “Im Anfang” bedeutet eher “der Grund”. Der Grund des Films ist im Film gar nicht zu sehen. Das ist nämlich der Regisseur oder der Projektor. Der Film wurde vom Regisseur gemacht bzw. vom Projektor gezeigt. Ohne diese beiden gäbe es keinen Film. Gott hat einen Plan (ähnliche eines Regisseurs), den Er auf jeden Fall umsetzt (ähnlich einer Geschichte in einem Film).
Aber wo bleibt denn da die Freiheit des Menschen? Spaemann verglich diese mit interaktiven Filmen, bei denen die Zuschauer an verschiedenen Stellen entscheiden können wie der Film weiter geht. Wir haben die Freiheit uns zu entscheiden. Gott wird aber auf jeden Fall Seinen Plan zum Ziel führen.
Das ist wie bei einem Navigationsgerät im Auto. Wir können da beliebig oft die Fahrvorschläge ignorieren und falsch abbiegen. Das Navigationsgerät berechnet dann aber immer wieder Alternativrouten, die auch zum Ziel führen. Gott ist allwissend und weiß wie wir uns entscheiden werden und hat alle Umwege bereits eingeplant.
Prof. Spaemann übersetzte das Höhlengleichnis von Platon in unsere moderne Welt: Wir sitzen im Kino und schauen einen Film. Wir nehmen nur den Film als Realität war, sitzen selbst aber im Dunkeln und sehen einander nicht. Wir sind an Händen und Füßen gefesselt, so dass wir uns auch nicht spüren können. Der Film ist unsere Realität, alles andere nehmen wir nicht war.
Weiter meinte Spaemann, dass wer die Naturgesetze kennt, noch lange nicht die Welt verstanden hätte. Die Naturgesetze gehen der Natur voraus. Die Natur selbst folgt bereits bei ihrer Entstehung den Naturgesetzen (sie ist nicht selbst das Gesetz.)
Die Naturgesetze erklären somit nicht selbst bereits die Welt. Sie könnten auch ganz anders sein. Bezugnehmend auf das anfänglich zitierte Gedicht sagte Spaemann: Die Evolutionstheorie kann nicht das “Gute” erklären.
Ein weiteres Beispiel: Auf dem Boden ist inmitten eines dahin geworfenen Buchstabensalats ein eingerahmtes Gedicht von Hölderlin. Viele Menschen schauen mehr auf das Chaos (der Buchstaben) als auf das genauso sichtbare Schöne, Gute. Sie zweifeln an Gott, weil sie mehr auf das Chaos der Welt blicken als auf die genauso für alle sichtbaren Spuren Gottes. Es ist viel wahrscheinlicher, dass die Welt von einem Vernunftwesen wie Gott erschaffen wurde als durch einen Zufall. Dennoch glauben viele Menschen eher an das Unwahrscheinliche als das Wahrscheinliche.
Spaemann fuhr fort mit dem Satz “Es werde Licht” aus Genesis 1. Damit kann nicht das Licht der Sonne und der Sterne gemeint sein, da diese erst später am dritten Tag erschaffen wurden. Mit dem Licht in Genesis 1 verstanden die Kirchenväter den geistlichen Raum, in dem ein gegenseitiges Erkennen erst möglich wird. Die Welt ist ja kein opakener Klumpen, sondern ein Raum für Geschöpfe, für Engel und Menschen. Mit der Erschaffung des Lichtes wurde das Verständnis erst möglich. Ein göttliches Licht, dass uns erhellt und uns ein “Licht aufgehen” lässt.
Warum können Menschen nicht glauben? Paulus schreibt im Römerbrief : Die Heiden können Gott anhand der Schöpfung erkennen, wollen Ihm aber nicht danken. Das Danken meint Spaemann ist ein Urbedürfnis der Menschen. Sie wollen jemanden für das Gute, das sie erfahren danken – aber auch sich über das Unglück, das sie erfahren beklagen.
Spaemann vergleicht die Welt mit einem Teppich. Wir haben alle Anteil an diesem Teppich, den wir mit unserem Leben mitknüpfen. Wir sehen jedoch nur die Unterseite des Teppichs, die mehr einem Chaos ähnelt. Wir sind aufgefordert zu glauben, dass es auch eine Oberseite des Teppichs gibt, an dem wir arbeiten, dessen Schönheit wir aber erst später sehen werden.
Wahrheit muss geglaubt werden. Und entgegen der landläufigen Meinung, dass der Glaube mit der Vernunft nicht vereinbar sei, hilft der Glaube der Vernunft.
Zum Schluss zitierte Spaemann die oft gestellte Frage: Wo war denn Gott in Auschwitz? Man könnte antworten: am Kreuz!
Wie passt Ausschwitz mit einem guten Gott zusammen?
Spaemann führt das Beispiel aus der Bibel von Hiob und seinen Freunde an. Hiob wusste, dass etwas nicht stimmte, da im Schlechtes widerfuhr, Gott aber doch gut sei. Seine Freunde hingegen dachten es passe so und dass Gott Hiob für seine Schuld bestrafe. Aber wir kennen Gottes Wege nicht. Gott tadelte die Freunde und lobte Hiob, da er daran festhielt, dass etwas nicht stimmte und an Gottes Güte festhielt.
Spaemann las am Ende aus den letzten Seiten des Tagebuches eines gläubigen Häftlings in einem KZ vor, welche seiner Meinung nach zwar kein Beweis für Gott, aber doch ein starkes Indiz dafür seien. Darin schrieb der Gefangene zusammengefasst: Gott, Du hast mir sehr schwere Tage bereitet. Du hast alles gemacht, so dass ich an Dir irre werden muss. Ich liebe Dich aber trotzdem und werde nicht aufhören Dich zu lieben. Amen.
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