Eines der faszinierendsten Dinge im Christentum ist sicherlich das Gebet. Warum? Weil man durch das Gebet mit Gott selbst sprechen kann (das muss man sich mal bildlich vorstellen!).
Und jetzt kommt es noch besser: wir dürfen sogar Gott im Gebet Wünsche äußern, die Er dann (ggf.) auch erfüllt. Tolle Sache, oder? Da kann so mancher Nichtchrist auf uns Christen neidisch werden. Oder etwa nicht?
Wenn da nicht das kleine “Problemchen” wäre, dass Gott (in der “Praxis”) eben nicht jedes Gebet erhört. Warum ist das so? Liebt uns Gott nicht wirklich? Oder ist Gott doch nicht allmächtig und kann eben manche Wünsche nicht erfüllen?- Nein, natürlich nicht! Es gibt da offenbar andere Gründe.
So um 400 n.Chr. hatte sich die Witwe Proba an Augustinus gewandt mit der Bitte, ihr zu schreiben wie bzw. für was man beten solle (das ist mal vorbildlich, oder?). Augstinus geht in seinem Antwortschreiben auch auf unsere Frage ein, warum seiner Meinung nach manche unserer Gebet nicht erhört werden (siehe Kap. XIV des Briefes “An Proba”). Seine Hauptgedanken will ich hier in eigenen Worten wiedergeben:
Warum sagt denn der Apostel Paulus: “Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen” (Röm 8,26/EÜ)? War denn ihm oder seinen Lesern das Gebet des Herrn (“Vater unser”) nicht bekannt? Warum hat Paulus dann dies geschrieben? Sicherlich nicht aus Unkenntnis, oder?
Der Grund hierfür dürfte darin liegen, dass Paulus mit dieser Bemerkung darauf hinweisen wollte, dass die Schwierigkeiten und das Leid dieser Zeit – entgegen unserer Ansicht – nützlich sind und nicht einfach “weggebetet” werden sollten. Nämlich um uns vor Überheblichkeit zu heilen, uns in der Geduld zu prüfen bzw. zu bewähren oder auch um Sünden zu bestrafen und zu tilgen. Denn durch unser Aus- bzw. Durchhalten in schwierigen Zeiten werden wir von Gott einen größeren Lohn erhalten.
Selbst Paulus war offenbar vom Problem der “richtigen” Gebetswünsche nicht ausgenommen (zumindest betete er einmal entgegen besseren Wissens). Denn im 2. Kor 12,7-9 schreibt er wie dreimal den Herrn bat, dass der Engel bzw. Bote Satans aufhöre, ihn mit Fäusten zu schlagen.
Paulus wusste also offensichtlich selbst nicht, “worum wir in rechter Weise beten sollen”. Denn Gott erklärte im schließlich, warum Er seine Bitte nicht erfüllte bzw. nicht erfüllen wollte: “Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit.” (2. Kor 12,9).
Wir wissen tatsächlich oft in Krisenzeiten nicht wie wir in “rechter Weise” beten sollen. Wie jeder Mensch beten wir dafür, dass Gott unsere Beschwernisse wegnimmt. Aber wir müssen Gott auch vertrauen, wenn Er unser Leid nicht wegnimmt und uns dann auch Seinem Willen unterordnen. Denn das bedeutet ja nicht unbedingt, dass Gott uns nicht beachtet, sondern dass Er Besseres für uns im Sinn hat.
Manchmal erhört Gott auch “ungeistliche” Gebete, wenn wir sehr ungeduldig sind. Dann aber zu unserem eigenen Schaden.
So hat Gott die (undankbaren) Bitten der Israeliten in der Wüste erhört, musste sie danach aber – nachdem sie ihre ungeduldigen Begierden gestillt hatten – umso mehr strafen (Num 11,1-34).
Weiterhin gab Gott den Israeliten aufgrund ihres unnachgiebigen Drängens auch einen König, obwohl dies eigentlich nicht nach Gottes Herzen war (1. Kö 8,5-7).
Er gab auch nach als der Teufel, Hiob in Versuchung bringen wollte (Hiob 1,12; 2,6).
Er erhörte die Bitten der Dämonen in eine Schweineherde fahren zu dürfen (Mt 8,30-32/Lk 8,32).
Dies ist alles aufgeschrieben worden, damit niemand sich etwas darauf einbildet, wenn sein bestürmendes Gebet erhört wird, obwohl es vielleicht besser gewesen wäre, wenn er es gar nicht ausgesprochen hätte.
Dies ist aber auch aufgeschrieben worden, damit niemand den Mut verliert oder an der göttlichen Barmherzigkeit zweifelt, wenn seine Bitten nicht erhört werden. Vielleicht würde ihn die Erhörung seines Gebetes nur noch mehr in Schwierigkeiten bringen oder er würde durch sein “Glück” nur noch mehr vom Weg abkommen und (geistlich) völlig zugrunde gehen.
Wenn darum etwas eintrifft, was gegen unseren Gebetswunsch ist, sollten wir es geduldig ertragen. Für alles sollen wir Gott danken und nicht daran zweifeln, dass Gottes Wille besser ist als der unsrige.
Denn dafür gab uns Jesus auch ein Beispiel als er im Garten Gethsemane betete: “Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst” (Mt 26,39/EÜ). Damit hat sich als wahr erwiesen, dass “durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden.” (Röm 5,19/EÜ)
Zur weiteren Lektüre empfehle ich das Buch “Quellen geistlichen Lebens: Die Zeit der Väter” (Geerlings/Greshake), das eine deutsche Übersetzung des Briefes von Augustinus an die Witwe Proba enthält und mir teilweise als Vorlage für meine Übertragung gedient hat.
Egal
Steht nicht in der Bibel, was immer ihr glaubend in meinem Namen begehrt, werdet ihr empfangen bzw. will ich euch tun?
Wie kann dann ein Wunsch mit der obigen Rechtfertigung nicht in Erfüllung gehen, wenn die Bibel mit ihrem Wort das Gegenteil besagt?
Entweder ist es so wie in der Bibel steht, oder aber die Bibel erweist sich durch die Nicht-Erfüllung als nicht glaubwürdig?!?
Stef
Liebe(r) Egal,
eigentlich lasse ich Kommentare ohne gültige Absender-E-Mail-Adresse auf meinem Blog nicht zu. Anonym kann man ja trotzdem bleiben.
Aber die Frage ist berechtigt, wichtig und offensichtlich ehrlich gemeint.
Du verweist mit Deinem Einwand wohl auf die folgende Bibelstelle:
Das ist wirklich eine schwierige Stelle und ich kann da auch nur auf die Auslegung von Johannes Chrysostomus verweisen, da ich Dir auch keine bessere Erklärung dafür geben kann (am Besten auch mal den ganzen Zusammenhang in der Bibel und bei Chrysostomus lesen, dann wird es klarer):
Hier geht es offenbar also nicht um eine allgemeine Verheißung bzgl. des Gebets, sondern darum, seinen Jüngern wegen der bevorstehenden (beängstigenden) Ereignissen (Glaubens-)Mut zu machen.
Ansonsten müsste ja auch JEDES Gebet im Glauben von Gott erfüllt werden, was aber in der Realität ganz offensichtlich NICHT der Fall ist, oder? Und genau diese Problematik erläutert ja Augustinus in seinem Brief an die Witwe Proba (s.o.)
Stef
@Egal:
Vielleicht meintest Du auch folgende Bibelstelle:
Also, wie Du sicherlich bereits gemerkt hast verweise ich bei meinen Bibelauslegungen meist auf die Kirchenväter, da diese mehr geistliche Einsichten hatten als ich sie i.d.R. habe.
Ich prüfe lediglich, ob ihre Aussagen mit der Bibel übereinstimmen (schließlich können die Kirchenväter auch irren) und ob ich ihre Argumentationsweise nachvollziehen kann.
Zu Joh 14,12-14 habe ich einen Kommentar von Augustinus gefunden, den ich hier einfach anführe:
Stef
Und noch ein paar Kommentare zu Joh 14,12-14 von den Kirchenvätern:
Zu Joh 14,12: Catena Aurea (dt., jedoch unvollständig)
Zu Joh 14,12-14: Catena Aurea (engl., dafür vollständig)
Deborah
🙂 Am Besten lernt man Beten durch beten. 😉
…und das gefährlichste Gebet, das ein Christ in dieser Hinsicht beten kann, ist das Gebet der Jünger: “HERR, lehre mich beten!”
Diese Gebet wird garantiert erhört und eröffnet eine Langzeitschulung. 😀
lg
Deborah