Nach dem Kapitel “Die sittlichen Schäden des römischen Reiches zur Zeit Christi” folgt heute das vierte Kapitel aus dem Abschnitt „Die Kirche und die römische Staatsgewalt“ aus dem Buch “Geschichte der Kirche Christi” von DDr. Johannes Schuck aus dem Jahr 1938 (Echter Verlag):
Im Frühjahr 61 kam der heilige Paulus von Süden her nach Rom. Er kam als Gefangener. Der Hauptmann Julius, der den Apostel und andere Gefangene von dem Landpfleger Festus in Cäsarea übernommen hatte, um sie nach Rom zu bringen, übergab ihn nach seiner Ankunft in der Hauptstadt dem Vertreter des Kaisers in Strafsachen, dem Befehlshaber der kaiserlichen Leibgarde Afranus Burrus. Jedenfalls auf Grund des von Festus übersandten Berichtes und auf Grund der Angaben des dem Apostel wohlgesinnten Hauptmanns wurde Paulus nicht in das Strafgefängnis überführt; es wurde ihm gestattet, unter Aufsicht eines Soldaten irgendwo in der Stadt zu wohnen. Die Aufsicht beschränkte ihn nur wenig. Ungehindert konnte er das Evangelium predigen und die Bekehrten um sich sammeln, auch seinen lieben Christengemeinden und Bekannten in Mazedonien und Kleinasien schreiben, nach Philippi und Ephesus, nach Kolossä und an Philemon. Diese Gefangenschaft, wenn sie überhaupt noch eine Gefangenschaft genannt werden kann, dauerte zwei Jahre und endete im Sommer 63 mit der Freisprechung, auf die der Apostel mit Sicherheit gerechnet hatte. Wieder frei blieb der Apostel noch den Winter 63/64 in Rom und schrieb gegen Ende des Winters den Brief an die Hebräer.
Im Frühjahr 64 erwachte aber in ihm mit aller Gewalt der Missionar, dem auch eine Großstadt zu klein ist; er verließ die Stadt und reiste „bis an die Grenzen der Erde”, wie Klemens von Rom berichtet, d. h. bis nach Spanien. Von dieser Reise nach dem äußersten Westen des Reiches zurück, wandte er sich in heiliger Unruhe um seine Christen nach Osten und besuchte mit einigen Gefährten die Insel Kreta, wo er seinen Begleiter Titus als Bischof zurückließ, die Stadt Ephesus, wo er Timotheus als Bischof aufstellte, und dann die in Mazedonien gegründeten Christengemeinden. Darüber verging der Winter. Jetzt rasch noch an die neuen Bischöfe von Kreta und Ephesus schreiben und dann — im Sommer 66 — nach Troas, Milet, Korinth und zurück nach Rom. Da war der Lauf vollendet. Die Tore Roms schlossen sich hinter ihm und ließen ihn nur noch einmal hinaus — zum letzten Gang auf die Appische Straße und in die Ewigkeit.
Während Paulus sich seine Wege durch die Heidenwelt bahnte, waltete Petrus in Rom seines Hirtenamtes. Zum ersten Mal war Petrus wohl das Jahr 42 oder 43 in die römische Hauptstadt gekommen. Sieben oder acht Jahre später war er zum Apostelkonzil nach Jerusalem zurückgekehrt, um dann über Antiochia, Kleinasien und Griechenland wieder den Weg nach Rom zu nehmen. Sein Aufenthalt in Rom ist im Aufbau der Kirche wie ein Eck- und Grundstein. In dieser Erkenntnis versuchten Gegner der Kirche zu bestreiten, daß Petrus in Rom war.
Zeugnis für den Aufenthalt des heiligen Petrus in Rom gibt die ganze altchristliche Welt; von der Zeit an, wo wir nach der Entwicklung des kirchlichen Schrifttums Nachrichten über diese Tatsache, die ja den Zeitgenossen bekannt und niemals strittig war, mit einigem Recht erwarten dürfen. Aus Griechenland kommt die Stimme des Bischofs Dionysius; er schrieb zwischen den Jahren 165 und 174 an den Papst Soter einen Brief, darin er die Fürsorge der Christen Roms für die Gläubigen in Korinth rühmt und sagt: „Durch eure große Sorgfalt habt ihr die von Petrus und Paulus in Rom und Korinth angelegte Pflanzung miteinander verbunden; denn beide haben in unserer Stadt Korinth die Pflanzung begonnen und uns in gleicher Weise in Italien gelehrt und zu gleicher Zeit den Martertod erlitten” (Eusebius, Kirchengeschichte 2, 25; 4, 23). Kleinasien gibt Zeugnis durch den Bischof Papias, einen Schüler des Evangelisten Johannes, Ägypten gibt Zeugnis durch den Bischof Klemens von Alexandrien, der gegen Ende des zweiten Jahrhunderts lebte, Afrika durch den um 160 geborenen Tertullian; Gallien, das heutige Frankreich, durch den Bischof Irenäus, der ein Schüler des Aposteljüngers Polykarp war, lange Zeit in Rom gelebt und sich dort über die kirchlichen Überlieferungen der Stadt und über die Reihenfolge der römischen Bischöfe genau unterrichtet hatte. Natürlich gibt auch Rom selber Zeugnis und zwar durch den Priester Gajus, der um das Jahr 200 lebte. Nur weil Petrus wirklich in Rom wirkte und starb, können wir verstehen, wie der bald nach dem Jahr 100 gemarterte Bischof Ignatius von Antiochien an die Römer schreiben konnte, er befehle ihnen nicht wie Petrus und Paulus; nur daraus können wir verstehen, daß Klemens von Rom, der dritte Papst nach dem Tode des heiligen Petrus, die Apostelfürsten bei jenen Märtyrern aufzählt, von denen wir sicher wissen, daß sie in Rom starben.Der Versuch mißlang. Heute zweifelt wohl niemand mehr daran, daß Petrus in Rom sein Oberhirtenamt ausübte und dort auch den Märtyrertod erlitt. Wenn hier dennoch ausführlicher darüber geredet wird, so geschieht es nicht, um Zweifel zu bannen, sondern deswegen, weil diese Tatsache die Vorzugsstellung des römischen Bischofs als Stellvertreters Christi und Oberhauptes seiner Kirche begründet und weil das Wissen um die unumstößliche geschichtliche Bezeugung dieser Tatsache den katholischen Christen seines Glaubens nur froh machen kann.
Ja, wir wissen sogar, wo die Apostelfürsten begraben wurden. Als man in der Peterskirche auf dem vatikanischen Hügel einen Baldachin über dem Grab errichtete, das von jeher als Ruhestätte des Apostels Petrus galt, fand man Überreste heidnischer Grabanlagen und beim Neubau der Basilika des heiligen Paulus, die schon immer als Begräbnisstätte des Völkerapostels betrachtet wurde, machte man ebenfalls die Entdeckung, daß an dem Ort ursprünglich heidnische Gräber waren. Wären die Leiber der heiligen Apostel erst später und von sonstwoher nach Rom gebracht worden, dann hätte man sie an einer anderen Stelle beigesetzt, in den Katakomben oder an einem christlichen Begräbnisplatz, aber nicht inmitten heidnischer Grabstätten. Ihre Beisetzung mitten unter den Heiden ist nur damit zu erklären, daß sie eben dort begraben wurden, wo sie gestorben sind, also in Rom und es gibt kaum ein Zeugnis, das so laut für den Tod der Apostelfürsten in Rom spricht wie diese stummen Gräber. Mit ihrem Zeugnis stimmt das Wort des oben erwähnten Priesters Gajus überein, also eines Mannes, der sich in Rom auskannte. Um das Jahr 200 schrieb er an einen gewissen Proklus: „Ich kann dir die Siegeszeichen der Apostel zeigen. Du magst auf den Vatikan gehen, oder auf die Straße nach Ostia, du findest die Siegeszeichen der Apostel, welche diese Kirche gegründet haben” (Euseb. Kg. 2, 25).
Das „Siegeszeichen” des heiligen Petrus war an der Nordseite einer Straße, die Via Cornelia hieß, am Fuße des vatikanischen Hügels, gegenüber dem Zirkus des Kaisers Nero; das „Siegeszeichen” des Apostels Paulus war in der Ebene zwischen der Straße nach Ostia und dem Tiberfluß. Paulus wurde, weil er ein römischer Bürger war, enthauptet; Petrus wurde gekreuzigt und zwar nach seinem eigenen demütigen Wunsche, mit dem Haupt zur Erde hin. Gewichtige Gründe sprechen dafür, daß es im Jahr 67 geschah. Eine schon im zweiten Jahrhundert einsetzende Überlieferung läßt beide Apostel um dieselbe Zeit hingerichtet werden und die Kirche feiert ihren Tod sogar an dem gleichen Tag. Diesen Tag nennt sie einen „goldenen, mit strahlendem Glanz erfüllten Tag”.
Im Jahre 1595 wurde unweit des Petrusgrabes ein Sarg aus der Erde gehoben, in dem die Leiche des am 25. August 365 verstorbenen erst zweiundvierzig Jahre alten römischen Stadtpräfekten Junius Bassus lag. Der 2,41 Meter lange und 1,17 Meter breite Sarg ist aus weißem Marmor und ein Meisterwerk. In einer der zehn Nischen ist dargestellt, wie ein Apostel — Petrus oder Paulus — gefangen genommen und zum Tode geführt wird. Die Henker haben keine Mühe mit ihm. Keine Nachzeichnung vermag den Eindruck wiederzugeben, den die Apostelgestalt auf dem Sarg hervorruft. Aufrecht, ernst und siegesbewußt, mit einem weiten Blick in die Ewigkeit, so steht der Apostel da; majestätischer konnte kein Kaiser auf seinem Triumphwagen stehen. Die Christenheit hat recht, wenn sie von Apostelfürsten spricht und der Priester Gajus hatte recht, wenn er ihre Gräber Siegeszeichen nannte.
Fortsetzung folgt mit dem Kap. “Die römischen Verfolgungen im ersten Jahrhundert”
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