Geht es Dir auch oft so, dass Du die Gegenwart Gottes nicht spürst? Dass Du denkst, dass Dir Gott nicht Nahe ist? Dass Gott nicht antwortet und Du seine Liebe und seinen Trost (zumindest emotional) nicht erfährst?
Dann bist Du nicht allein 😉 . Und es ist auch nicht ungewöhnlich, dass das so ist. Die Beziehung zu Gott basiert eben nicht nur auf Gefühlen, genauso wie das auch bei Menschen so ist. Manchmal gibt es Zeiten von Trockenheit und empfundener Gottesferne. So beschreibt es zumindest auch Johannes von Kreuz:
Wo hast du, Liebster dich verborgen? Warum mich seufzend hier zurückgelassen? Dem Hirsche gleich bist du entflohen, Nachdem du Wunden mir geschlagen; Ich lief dir rufend nach, doch warst du schon entschwunden. […] „Wo hast du dich verborgen?“ Damit will sie sagen: Wort, mein Bräutigam, zeig mir den Ort, wo du dich verborgen hast. Mit diesen Worten bittet sie ihn um die Offenbarung seines göttlichen Wesens. Denn der Ort, wo der Sohn Gottes sich verborgen hält, ist nach den Worten des hl. Johannes (Joh 1,18) der Schoß des Vaters, nämlich die göttliche Wesenheit, die für jedes sterbliche Auge unzugänglich und jedem menschlichen Verstand verborgen ist. Darauf wollte auch Jesaja hinweisen, wenn er zu Gott sprach: […] „Wahrhaftig, du bist ein verborgener Gott“ (Jes 45,15). Daraus ist zu entnehmen, dass die außergewöhnlichen Mitteilungen und Offenbarungen sowie die tiefen und erhabenen Erkenntnisse Gottes, die einer Seele in diesem Leben zuteil werden können, Gottes Wesenheit nicht kundgeben noch auch eine Ähnlichkeit damit haben. Denn in Wahrheit bleibt er der Seele immer verborgen und sie muss ihn trotz dieser erhabenen Gnadenerweise als verborgen ansehen, in seiner Verborgenheit ihn suchen und ausrufen: „Wo hast du dich verborgen.“ Und in der Tat, wie die erhabenen Mitteilungen und die fühlbare Gegenwart kein Zeichen seiner gnadenvollen Anwesenheit in der Seele sind, so beweisen auch die Trockenheiten und der Mangel all dieser Gunstbezeugungen in keiner Weise seine Abwesenheit nach den Worten des Propheten Ijob: […] „Wenn er zu mir kommt, sehe ich ihn nicht, und geht er weg, merke ich es nicht“ (vgl. Ijob 9,11). Damit will er zu verstehen geben, dass die Seele, wenn sie einer außergewöhnlichen Mitteilung gewürdigt wird, sei es auf dem Wege einer sinnlichen Wahrnehmung oder einer geistigen Erkenntnis, nicht im Glauben leben soll, es bestehe hierin der Besitz oder die klare und wesenhafte Anschauung Gottes. Mag die Wirkung dieser Gunstbezeugungen auch noch so tiefgehend sein, so soll sie dies doch nicht als ein Zeichen ansehen, als sei sie inniger mit Gott vereint oder fester in ihm begründet. Ebensowenig darf sie annehmen, dass Gott, wenn sie dieser sinnenfälligen und geistigen Mitteilungen entbehrt und in Trockenheit, Finsternis und Verwirrung sich befindet, ihr ferner stehe als sonst. […] Was daher die Seele in diesem Verse vor allem im Auge hat, ist nicht bloß die Bitte um inbrünstige und fühlbare Andacht, da ja hierin ein deutlich gesicherter Besitz des Bräutigams in diesem Leben nicht besteht, es ist vielmehr das Verlangen nach der reinen Gegenwart und klaren Anschauung seiner Wesenheit, die sie im anderen Leben in ungestörter Sicherheit und voller Befriedigung zu besitzen hofft.
Johannes vom Kreuz (1542-1591), Karmelit, Kirchenlehrer
aus “Geistlicher Gesang”, Strophe 1 (Vierter Band der Sämtlichen Werke von Johannes vom Kreuz, Geistlicher Gesang, München 1987, S. 25–27 (Übers.: P. Aloysius ab Immac. Conceptione), zitiert aus Evangelium Tag für Tag)
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