Warum sollten wir als Christen fasten? Sollten wir überhaupt fasten? Ist das nicht gesetzlich und was bringt das überhaupt?
Petrus Chrysologus (um 406-450), Bischof von Ravenna, Kirchenlehrer schreibt folgendes über das Fasten:
„Warum fasten wir, und deine Jünger nicht?“ (vgl. Mk 2,18). Warum wohl? Weil für euch das Fasten eine Sache des Gesetzes ist. Es ist kein spontanes Geschenk. Für sich genommen hat das Fasten keinen Wert; was zählt, ist das Verlangen dessen, der fastet. Welchen Nutzen glaubt ihr, aus eurem Fasten ziehen zu können, wenn ihr – durch ein Gesetz dazu genötigt – gezwungenermaßen fastet? Fasten ist ein ausgezeichneter Pflug, um das Feld der Heiligkeit zu bestellen. Die Jünger Christi jedoch werden sogleich mitten ins erntereife Feld der Heiligkeit hineingestellt. Sie essen das Brot der neuen Ernte. Wie sollten sie zu einem Fasten verpflichtet sein, das nunmehr überholt ist? „Können denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist?“
Wer Hochzeit hält, gibt sich ganz der Freude hin und nimmt teil am Festmahl; er zeigt sich den Gästen gegenüber leutselig und ganz fröhlich. Er tut alles, wozu ihn seine Liebe zur Braut inspiriert. Christus feiert seine Hochzeit mit der Kirche während seines Lebens auf Erden. Deshalb nimmt er die Einladungen zu Gastmählern an und lehnt nicht ab. Voller Wohlwollen und Liebe zeigt er sich menschlich, zugänglich und liebenswürdig. Kommt er doch, um den Menschen mit Gott zu vereinen und seine Gefährten zu Mitglieder der Familie Gottes zu machen.
In ähnlicher Weise sagt Jesus: „Niemand näht ein Stück neuen Stoff auf ein altes Kleid“. Dieses neue Kleid ist der Stoff des Evangeliums, den er gerade mit der Wolle des Gotteslammes webt: ein königliches Gewand, das bald vom Blut der Passion purpurn gefärbt sein wird. Wie könnte Christus akzeptieren, dass dieses neue Kleid mit dem veralteten Gesetzesdenken Israels vereint wird? […] Ebenso gilt: „Auch füllt niemand neuen Wein in alte Schläuche. […] Neuer Wein gehört in neue Schläuche“. Diese neuen Schläuche sind die Christen. Das Fasten Christi reinigt diese Schläuche von allem Schmutz, damit sie den Wohlgeschmack des neuen Weines unversehrt bewahren. Der Christ wird so zu einem neuen Schlauch, der bereit ist, den neuen Wein aufzunehmen: den Hochzeitswein des Sohnes, gepresst in der Kelter des Kreuzes.
Predigt über das Markus-Evangelium, 2; PL 52, 287 (Sermon sur Marc, trad. rev. Abbaye de Tournay; ins Dt. übers. © Evangelizo)
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