Am letzten Samstag Abend wurde wie üblich in der Osternacht die Schöpfungsgeschichte aus dem Buch Genesis vorgelesen.

Es gab auch weitere Lesungen aus anderen Teilen des Alten Testaments wie z. B. über den Auszug der Israeliten aus Ägypten durch das von Gott geteilte rote Meer, was im Buch Exodus zu finden ist.

Aber stimmen diese Geschichten überhaupt? Ist das wirklich so passiert oder werden uns Christen regelmäßig Mythen oder eine Art von Gleichnissen präsentiert, die nur noch Menschen mit naivem Kinderglauben als historisch betrachten?

Und ist es für den christlichen Glauben überhaupt relevant, ob das damals alles wirklich so passiert ist? Und was machen wir mit den Geschichten, die nach heutigen (natur-) wissenschaftlichen Erkenntnissen eigentlich gar nicht möglich sein können?

Dürfen bzw. sollen wir Christen überhaupt noch glauben, dass Gott die Menschen erschaffen hat und Wunder tut, indem er ein Meer teilt? Machen wir uns da selbst nicht unglaubwürdig, wenn wir entgegen des heutigen als gesichert geltenden Wissensstands dennoch an biblischen Erzählungen festhalten, die nach vorherrschender Meinung so gar nicht passiert sind?

Erst vor Kurzem hat mir jemand, der Atheist ist, bei einer Diskussion über den christlichen Glauben auf Facebook – es wurde auf katholisch.de über einen jungen Mann berichtet, der sich als Erwachsener katholisch taufen lassen wollte – einen Artikel über die “vielfach bewiesene” Evolutionstheorie auf der Seite des Deutschlandfunks geteilt. Und er fragte mich wie man denn überhaupt als Christ an die Bibel glauben könne, wenn da so viele Märchen erzählt werden würden. Zumindest war das der Tenor seiner Argumentation. Eine berechtigte Frage finde ich, sofern seine Behauptung stimmt.

In dem besagten Artikel wird übrigens wie so häufig nicht zwischen Mikroevolution, d. h. Anpassung der Arten an ihre Umwelt und Makroevolution, der Entwicklung von Organismen von einfachen hin zu komplexeren Arten unterschieden. Ersteres ist ja völlig unproblematisch für den christlichen Glauben. Letztere natürlich nicht, weil damit die Entstehung aller Lebewesen durch rein natürliche Mechanismen postuliert wird, ohne die übernatürliche Erschaffung durch Gott wie in Genesis 1 und 2 beschrieben.

Es ist also offensichtlich, dass hier die heutige Naturwissenschaft – ob sie es will oder nicht – die Glaubwürdigkeit der biblischen Geschichten, zumindest im Alten Testament untergräbt und viele Christen, sogar und vielleicht besonders auch Theologen dazu bringt, diese Geschichten nur noch bildlich zu verstehen. Und was in Folge auch alle anderen biblischen Geschichten mit übernatürlichem Eingreifen Gottes in Frage stellt.

Ist es also die Lösung für uns Christen, die Historizität der Geschichten in der Genesis zu bestreiten? Ist das hilfreiche, gute und richtige Theologie bzw. biblische Exegese? (siehe auch Was lehrt die katholische Kirche eigentlich über die Irrtumslosigkeit der Bibel?)

Schauen wir doch mal in das Neue Testament wie dort die Geschichten in der Genesis verstanden wurden.

Wir fangen mal im Lukas-Evangelium an:

Jesus war, als er zum ersten Mal öffentlich auftrat, etwa dreißig Jahre alt. Er galt als Sohn Josefs. Die Vorfahren Josefs waren: (…) Enosch, Set, Adam; der stammte von Gott.

Lukas 3,23-38 (EÜ)

Der Evangelist Lukas war von der Historizität der Genesis ganz offensichtlich überzeugt, wenn er Adam als von Gott direkt erschaffen betrachtete.

Auch der Apostel Paulus scheint den Schöpfungsbericht wörtlich zu verstehen, wenn er im Zusammenhang seiner Ausführungen über die Beziehung von Mann und Frau in der Ehe Genesis 2,4 zitiert:

Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein. Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche.

Epheser 5,31–32 (EÜ)

Und schließlich zweifelt offensichtlich Jesus selbst nicht daran, dass der Schöpfungsbericht in Genesis wörtlich bzw. historisch zu verstehen ist, wenn er mit Verweis auf Genesis 1,27 bzw. Genesis 2,24 bzgl. der Scheidung sagt:

Er antwortete: Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer sie am Anfang männlich und weiblich erschaffen hat und dass er gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein?

Matthäus 19,4–5 (EÜ)

Bei dieser Gelegenheit beweist Jesus übrigens, dass beide Schöpfungsberichte (in Genesis 1 bzw. Genesis 2) als eine Einheit zu verstehen sind und beide volle göttliche Autorität haben (und nicht etwa sich teilweise widersprechende Texte verschiedener Autoren darstellen), siehe hierzu auch die Auslegung von Reinhard Junker und Richard Wiskins.

Jetzt könnte man aber einwenden (wie dies auch einige Theologen tun), dass die Evangelisten und Apostel und selbst Jesus Christus lediglich auf Basis der damals vorherrschende (unwissenschaftlichen) Vorstellung über die Entstehung des Lebens allgemeine Glaubens”wahrheiten” vermitteln wollten, d. h. dass Gott uns zwar erschaffen hat, aber eben nicht übernatürlich, sondern mittels natürlicher Vorgänge.

Mal abgesehen davon, dass dies auch mit der “wahren Geschichte” möglich gewesen wäre und man sich generell fragen müsste, was dann überhaupt noch als sicher wahr und historisch in der Bibel gelten kann, sollte man auch betrachten wie die Kirchenväter die Genesis verstanden haben.

Denn diese haben ja bekanntermaßen die christliche Lehre weiter entfaltet und im Prinzip die Grundlagen der christlichen Theologie verbindlich festgelegt. Zumindest haben sie so wichtige und grundlegende christliche Dogmen herausgearbeitet und zu glauben vorgelegt wie die Dreieinigkeit Gottes (Konzil von Nicäa). Und für die katholische und orthodoxe Kirche gilt zudem, dass die Kirchenväter – sofern sie bei Fragen des Glaubens und der Moral eine einheitliche Meinung vertreten – auch als maßgeblich für die christliche Lehre angesehen werden müssen.

Der US-amerikanische russisch-orthodoxe Mönch Seraphim Rose hat Zeit seines Lebens umfangreiche Studien über die patristische Schöpfungslehre und der Evolutionstheorie durchgeführt, die in dem Buch “Genesis, Creation and Early Man” (siehe auch “Part I. An Orthodox Patristic Commentary of Genesis“) zusammengefasst wurden. Seine Ansichten hat er zudem in Kurzform in einem (übrigens sehr lesenswerten) Brief “Patristic Doctrine of Creation” (bzw. in deutsch “Patristische Lehre über die Schöpfung“) an einen russisch-orthodoxen Mitbruder, der eine theistische Evolution vertrat, dargelegt.

Es lohnt sich diese frühchristlichen Schriften für sich selbst einmal zu studieren. Man wird dabei feststellen, dass darin theologische Fragestellungen (z. B. “Ist die Welt allein auf das Wort Gottes hin übernatürlich entstanden oder gab es eine natürliche Entwicklung?”) und naturwissenschaftlich Überlegungen (z. B. “Wie wird die Erde in ihrer Position gehalten?” oder “Aus welchen Grundelementen besteht die Materie?”) durchaus deutlich voneinander unterschieden werden und letztere auch keiner besonderen Bedeutung für den christlichen Glauben beigemessen wurde, siehe z. B. bei Basilius der Große in “Homilien über das Hexaemeron (Link zum Volltext inkl. Zusammenfassung der Kernaussagen)

Dass wirklich alle Kirchenväter inkl. Origenes und Augustinus (was ja leider recht häufig von heutigen Theologen anders dargestellt wird) von einer Schöpfung innerhalb 6 Tagen und einer “jungen” Erde von ca. 6000 Jahren ausgingen, wird in dem sehr lesenswerten Buch “The Patristic Understanding of Creation: An Anthology of Writings from the Church Fathers on Creation and Design (Link auf das Buch inkl. deutscher Übersetzung der Zusammenfassungen)” beschrieben.

Aber wie lässt sich denn nun die christliche Schöpfungslehre mit den heutigen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen vereinbaren? Denn eigentlich kann doch nicht beides wahr sein?

Konkret geht es um folgende Punkte, bei denen die heutige Naturwissenschaft dem christlichen Schöpfungsglauben (zumindest indirekt) widerspricht:

  • Die Welt, d. h. das Universum ist Milliarden von Jahren alt (siehe Weltalter) und nicht lediglich ca. 6000 Jahre wie es die Bibel aufgrund der Schöpfungsgeschichte und der Geschlechtsregister nahelegt (siehe z. B. James Ussher; durch mögliche Lücken und abweichende Angaben im hebräischen und griechischen Alten Testament sind übrigens auch bis zu 10.000 Jahre denkbar so wie es z, B. auch Origenes in seiner Schrift Contra Celsum anführte)
  • Der Mensch ist nicht vor ca. 6000 Jahren von Gott geschaffen worden, sondern hat sich über Millionen von Jahren von primitiven Organismen zum modernen Menschen bzw. dem archaischen Homo Sapiens vor ca. 200-300.000 Jahren entwickelt (siehe z. B. Stammesgeschichte des Menschen)

Mit diesen Fragen haben sich verschiedene christliche Wissenschaftler, leider häufig abfällig als “Kreationisten” oder einfach “Fundamentalisten” bezeichnet, beschäftigt und sind auch teilweise zu interessanten Ergebnissen gekommen, siehe z. B. die Website des promovierten Physikers Thomas Seiler (katholisch) bzw. die der (protestantischen) Studiengemeinschaft Wort und Wissen oder auch die Vortragsvideos des (protestantischen) promovierten Astrophysikers Markus Blietz (Janash.org), siehe auch Schöpfung & Evolutionstheorie.

Dazu jedoch mehr in einem Folgebeitrag, bei dem ich dann auch versuche die noch offene Frage zu beantworten wie man denn nun das Buch Genesis unter Berücksichtigung der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse verstehen kann und zwar ohne den christlichen Schöpfungsglauben einfach aufzugeben.